Mittwoch, 20. März 2013

Mein Revier

Allen, die meinen Blog verfolgen (oder den Untertitel des Blogs gelesen haben), kann nicht entgangen sein, dass ich in Longwy wohne. Also damit ihr euch ein bisschen vorstellen könnt, wie meine unmittelbare Umgebung ausschaut, hier ein kleiner Eintrag dazu.

Longwy hat zwar nur zirka 14.000 Einwohner, aber wie es sich für eine ordentliche französische Stadt gehört, liegen rund um Longwy und damit zusammengewachsen ein paar Vororte, die nie eingemeindet wurden. Das ist so wie bei Paris, das hat offiziell auch nur zwei Millionen Einwohner, aber inklusive Vororten, mit denen es ein durchgehend besiedeltes Gebiet bildet, sind es dann über zehn Millionen. Okay, auf ganz so viel kommt Longwy vielleicht nicht, aber ein bisschen über 50.000 sind es dann doch.

Doch wovon Paris nur träumen kann: Das Ballungsgebiet von Longwy erstreckt sich gleich über drei Länder: Frankreich, Belgien und Luxemburg. Die Grenzübergänge in meiner Gegend sind in der Regel nicht so leicht zu erkennen wie zwischen Österreich und den angrenzenden ehemaligen Ostblockstaaten; zuerst habe ich geglaubt, das hier ist ein unauffälliger Grenzübergang (zugegebenermaßen nicht gleich bei mir ums Eck):


Grenze zwischen Breux (F) und Limes (B)
Doch bei diesem hier erkennt man nur an der unterschiedlichen Form der Ortstafeln, dass man von einem Land ins andere kommt:


auf dem Weg von Belgien nach Frankreich
In Luxemburg (oder: Lux, wie die Leute hier sagen) sind vor allem zwei Sachen billiger als in Frankreich: Zigaretten und Benzin; deshalb ist das erste Gebäude in der Ortschaft Rodange gleich hinter der französisch-luxemburgischen Grenze eine Trafik, und danach kommen zwölf Tankstellen nebeneinander:


vier von zwölf Tankstellen
Aufgrund der Lage an der Grenze wurde Longwy im 17. Jahrhundert durch einen sehr berühmten französischen Militärtechniker namens Vauban befestigt, und die Festungsanlagen sind UNESCO-Weltkulturerbe.


ein Teil der Festunsanlagen (französisch: "remparts",
das erste Wort, das ich in Frankreich gelernt habe)
die Porte de France, Eingang in die Altstadt
und Titelbild meines Blogs
Dorota (aus dem Post "Die letzte größere Reise") mag den
Eiffelturm vor ihrem Fenster haben, aber ich kann vom Küchen-
fenster aus auf das UNESCO-Welterbe "Festungsanlagen
von Longwy" schauen. Wer hätte je gedacht, dass ich einmal
in einer soo exklusiven Lage wohnen werde?
Früher war die Region um Longwy eine bedeutende Bergbau- und Industrieregion, und so stehen auch immer wieder auf öffentlichen Plätzen Denkmäler wie hier in Crusnes:


ein Hunt
Und die Kirche in Crusnes ist vielleicht nicht die eindrucksvollste oder die pompöseste (und ich hab schon einiges an Kirchen in Frankreich besichtigt), aber sicher eine der merkwürdigsten, die ich kenne, denn sie ist aus Eisen gebaut; und vor allem klingt sie komisch, wenn man dagegen klopft:


Metallkirche in Crusnes (geweiht der Hl. Barbara,
der Schutzpatronin der Bergleute)
Ein bissl rostet sie schon.
Ihr erinnert euch noch daran, dass Lothringen ein Zentrum des Jugendstils war? In Longlaville gibt es ein Gebäude mit großen Jugendstil-Glasscheiben, die "Vitraux Majorelle", auf denen Szenen aus der Stahlindustrie abgebildet sind:


Die Vitraux Majorelle gehen über vier Stockwerke.

ein Detail
In den letzten dreißig Jahren ist die Industrie in der Region jedoch sehr stark zurückgegangen. In Herserange wurde ein Hochofen, der nicht mehr gebraucht wurde, gesprengt und liegt jetzt dort seit 1991 in der Wiese herum. Rundherum ist ein Golfplatz.


der ehemalige Hochofen Nr. 4 von Herserange;
seltsamerweise sehr idyllisch, wie er da so herumliegt.
Und das mein ich nicht ironisch.
Generell ist die Region durch den Rückgang der Industrie verarmt, und es schaut manchmal ein bisschen heruntergekommen aus, so auch zum Beispiel die Straße direkt vor meiner Schule:


wie eine belgische Autobahn
Ich unterrichte ja nicht nur in Longwy, sondern auch in der Nachbarortschaft Lexy im Collège Émile Gallé, das nach einem sehr wichtigen Jugendstilkünstler benannt ist:


meine Schule in Lexy
Ihr erinnert euch noch an Yvetot, die Stadt in der Normandie, in der es zwei Sehenswürdigkeiten, das Rathaus und die Kirche, gibt? So ähnlich ist es auch in Lexy, aber dort hat man die beiden Gebäude praktischerweise gleich nebeneinander gebaut:


links in klein das Rathaus; und die Kirche erkennt man, glaub ich
Allgemein kann man schon sagen, dass die Gegend rund um Longwy ja nicht gerade eine Touristengegend ist, aber ich war guten Willens und wollte ein paar Sachen besuchen. Aber ich bin ja nur Longovicien auf Zeit, und zwar von Oktober bis März, und leider haben viele Sachen hier nur von April oder Mai bis September geöffnet; zum Beispiel ein kleiner Zug, mit dem man in einer Bergbaumine herumfahren kann; oder das aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammende Fort de Fermont; oder mehrere Museen; oder das Schloss in Cons-la-Granville, das die besten Öffnungszeiten überhaupt hat: vom 14. Juli bis zum letzten Augustwochenende immer am Wochenende am Nachmittag:


Schloss Cons-la-Granville
In Mont-Saint-Martin steht eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert, die noch relativ originalgetreu erhalten geblieben ist:


romanische Kirche Mont-Saint-Martin
Und auch das ist ein wichtiges Gebäude: die Gedenkstätte an der Stelle des ehemaligen Außenlagers des KZ Natzweiler-Struthof in Thil:


Gedenkstätte
Krematorium
Wofür Longwy heute nach wie vor berühmt ist: für die "Émaux de Longwy", also die Schmuckemailproduktion. Und dafür gibt es ein Emailmuseum mit ganz interessanten Exponaten:


Aschenbecher
Vase; diese Emails sind übrigens nicht billig, diese Vase
wird schon ein paar tausend Euro kosten ...
Und dann gibt es noch ein Bügeleisenmuseum mit der größten und wichtigsten Sammlung an Bügeleisen in ganz Europa. Und ernsthaft: Auch wenn man sich das vielleicht nicht so richtig vorstellen kann, aber es war echt sehr interessant!


ein kleiner Teil der Sammlung
Von der Serie in der Mitte, in der das kleinste vorhandene Bügel-
eisen drei Millimeter misst, ist das kleinste leider verschwunden ...
Doch bevor jetzt alle ihre Koffer packen und nur um das Bügeleisenmuseum zu besuchen nach Longwy fahren: Man kann das Museum nur mit Führung besuchen, und diese ist auf Französisch. Also sicherheitshalber vorher noch ein bisschen Französisch lernen und sich mit dem Fachvokabular aus dem Themenbereich Bügeln auseinander setzen!

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