Samstag, 30. März 2013

Wo ich sonst noch war - der Endstand

Frankreich ist ein Land mit viel Land. Die Bevölkerungsdichte in Frankreich ist sogar ein bisschen niedriger als in Österreich, obwohl ja weite Teile in Österreich Gebirge sind, wo überhaupt niemand lebt, was den Durchschnitt hinunterdrückt. Auch wenn es in Österreich nach Wien lange keine größere Stadt gibt, ist es doch recht dicht von kleineren Städten und Dörfern übersät (dort wo halt kein Berg im Weg steht), und in Frankreich gibt es oft sehr lange Distanzen mit nichts oder vielleicht einmal einer kleinen Siedlung, die nicht nur tattendorf-, sondern sogar schranawandklein ist.

Deshalb gehört es für mich zu einem vollständigeren Bild des Landes, dass ich, wenn ich schon ein halbes Jahr hier lebe, nicht nur größere Städte, sondern auch Dörfer in meiner Umgebung besuche.

Zum Beispiel Marville, ein Dorf mit nicht ganz 600 lebenden Einwohnern, aber dafür einem Beinhaus mit den Knochen von ungefähr 40.000 Menschen:




Oder Montmédy mit seiner Zitadelle auf einem Hügel (die aber im Vergleich zu Besançon schon sehr bescheiden ausfällt):





Dort in der Nähe liegt Avioth, das für seine 130 Einwohner eine ziemlich große und berühmte Kirche im Dorf hat:



In Orval in Belgien steht eine sehr bekannte Abtei, die in den 1920er Jahren neben den Ruinen einer alten Abtei neu erbaut wurde und das ein sehr renommiertes Bier braut (das ich aber zweimal trinken musste, bevor es mir geschmeckt hat):







Und nicht weit davon entfernt liegt Torgny, das ist die südlichste Gemeinde Belgiens und außerdem die Gemeinde, die am weitesten von Brüssel entfernt ist. Und sie ist zwar ganz nett, aber warum sie die Auszeichnung "eines der schönsten Dörfer Belgiens" bekommen hat, kann ich nicht hundertprozentig nachvollziehen ...





Dass Rodemack "eines der schönsten Dörfer Frankreichs" ist, verstehe ich schon eher. Es wird auch "kleines Carcassonne" genannt, weil es so wie das große Carcassonne viel mittelalterliche Bausubstanz aufzuweisen hat:






Das mittelalterliche Dorf Vianden ist wegen seiner Burg nach der Stadt Luxemburg der (meiner Meinung nach verdientermaßen) am meisten von Touristen besuchte Ort in Luxemburg:






Aber jetzt wieder zu einer etwas größeren Stadt mit einer fünfstelligen Einwohnerzahl, Dinant in Belgien, bei dem sich ein Besuch meiner Meinung nach schon aufgrund der Lage zwischen einem Felsen und einem Fluss auszahlt:




Auf dem letzten Foto kann man übrigens mein Auto erkennen (wer es kennt, sieht es) - und ohne mein Auto wäre ich hier wohl nicht so viel herumgekommen, auch wenn ich weitere Distanzen ausschließlich mit dem Zug (und in Fahrgemeinschaften oder Mietautos) zurückgelegt habe ... Und oben auf dem Berg sieht man wieder einmal eine Zitadelle. Das hier ist die Stadt von oben:




In der Zitadelle gibt es auch einen Bunker, der einmal bei einem Bombardement abgerutscht ist und seither schief ist. Im ganzen Raum gibt es keine einzige senkrechte Bezugslinie, sodass sich das Gehirn beim Reinkommen nicht auskennt und man ziemlich das Gleichgewicht verliert. Damit ihr euch was vorstellen könnt: Die schwarze Fläche ist Wasser, das in Wirklichkeit natürlich horizontal steht:




Dinant ist außerdem die Geburtsstadt von Adolphe Saxe, dem Erfinder des Saxofons. Und so wie in Paris Buddy Bears stehen, die einzelne Länder repräsentieren sollen, stehen in Dinant Saxofone, die verschiedene Länder darstellen. Das hier ist das österreichische Saxofon mit einem Bild der Swarovski-Kristallwelten:





Auf dem Heimweg von Dinant wollte ich noch zur Grotte de Han, einer angeblich sehr eindrucksvollen Tropfsteinhöhle in Belgien. Aber: Da es geschneit hat und sich viele Belgier bei Schnee nicht so recht raustrauen, war ich der einzige, der in die Tropfsteinhöhle wollte, was aber aus Sicherheitsgründen nicht möglich war. Also habe ich nur die Straßenbahn, mit der man dorthin gefahren wäre, von außen gesehen:





Wo ich schon die ganze Zeit von Belgien schreibe: Ja, ich war auch in der Hauptstadt Brüssel. Eigentlich war das nicht vorgesehen, denn ich habe Brüssel schon vor meiner Assistenz zweimal besucht und war nicht sooo begeistert davon.

Und ich weiß nicht so recht, aber irgendwas hat's mit Brüssel, denn irgendwie passiert mir dort immer etwas Seltsames: 2003 hat vor uns eine Frau schimpfend vor dem Eingang einer Bar auf den Gehsteig uriniert. 2007 sind wir mit der Polizei mitgefahren und haben in einem aufgelassenen Verkehrsbüro auf einem Bahnhof übernachtet. Und 2013 schließlich hat ein Mann einfach so auf einem stark frequentierten öffentlichen WC masturbiert.

Aber naja, so ist die Stadt ja eh schön, so wie hier der Grand'Place oder Grote Markt im Stadtzentrum:



Oder so wie hier der nächtliche Blick vom Mont des Arts oder Kunstberg:



Aber eigentlich war ich ja nur wegen Susi in Brüssel, die mich für ein Wochenende besucht hat:



Am nächsten Tag haben wir in Longwy gefrühstückt:


Und dann sind wir weiter nach Luxemburg gefahren. Eine treue Begleiterin Susis, seit sie in Panama war, ist ihre Tigerente. Hier steht die Tigerente mit ein paar ausgewählten Sorten belgischen Biers (die schmeißen manchmal Obst in ihr Bier) vor der luxemburgischen Sparkasse:




Und mein vorletztes Wochenende in Frankreich habe ich mit Mouna bei Birigt in den Vogesen im Süden Lothringens verbracht. Zuerst waren wir in Épinal, eine Stadt, die man nicht unbedingt gesehen haben muss, aber der Vollständigkeit halber einmal ein Foto, auf dem sie doch passabel ausschaut:



Dann sind wir weiter nach Remiremont gefahren, das mir auf jeden Fall besser gefallen hat als Épinal. Das könnte aber auch daran liegen, dass gerade eine an den Karneval in Venedig angelehnte Veranstaltung war, bei der in der Nacht die Häuser beleuchtet wurden, was natürlich sehr zur Atmosphäre in der Stadt beigetragen hat:



Dabei gab es Umzüge mit Leuten in Kostümen:




Und Leute, die diese Leute fotografiert haben:




Und hier stehen Birgits Mitbewohner Colin, Birgit, ich und Mouna auf einem Hügel bei der Stadt:






Tja, das war's. Mehr kommt nicht mehr. Sonst würd's ja nicht "Endstand" heißen.*) Einmal habe ich einer Freundin auf einer Frankreichkarte gezeigt, wo ich während dieses halben Jahres überall gewesen bin, und sie hat zu mir gesagt: "Wieso warst du nicht in Nîmes, wenn du schon in Montpellier warst?" Aber ich glaube, wenn ich mir anschaue, was ich in diesen sechs Monaten so gesehen habe, kann ich guten Gewissens nach Österreich zurückfahren, ohne Nîmes gesehen zu haben:

 
*) Damit kein Missverständnis entsteht: Es wird schon noch ein Blogeintrag kommen. Aber keiner mehr mit Reiseberichten.

Was? Ich hab noch kein Tierfoto in diesem Beitrag?? Also voilà: ein sehr fotogener Esel in Han. Damit ich wenigstens etwas dort gesehen hab, wenn ich schon nicht in die Tropfsteinhöhle durfte:



Mittwoch, 20. März 2013

Mein Revier

Allen, die meinen Blog verfolgen (oder den Untertitel des Blogs gelesen haben), kann nicht entgangen sein, dass ich in Longwy wohne. Also damit ihr euch ein bisschen vorstellen könnt, wie meine unmittelbare Umgebung ausschaut, hier ein kleiner Eintrag dazu.

Longwy hat zwar nur zirka 14.000 Einwohner, aber wie es sich für eine ordentliche französische Stadt gehört, liegen rund um Longwy und damit zusammengewachsen ein paar Vororte, die nie eingemeindet wurden. Das ist so wie bei Paris, das hat offiziell auch nur zwei Millionen Einwohner, aber inklusive Vororten, mit denen es ein durchgehend besiedeltes Gebiet bildet, sind es dann über zehn Millionen. Okay, auf ganz so viel kommt Longwy vielleicht nicht, aber ein bisschen über 50.000 sind es dann doch.

Doch wovon Paris nur träumen kann: Das Ballungsgebiet von Longwy erstreckt sich gleich über drei Länder: Frankreich, Belgien und Luxemburg. Die Grenzübergänge in meiner Gegend sind in der Regel nicht so leicht zu erkennen wie zwischen Österreich und den angrenzenden ehemaligen Ostblockstaaten; zuerst habe ich geglaubt, das hier ist ein unauffälliger Grenzübergang (zugegebenermaßen nicht gleich bei mir ums Eck):


Grenze zwischen Breux (F) und Limes (B)
Doch bei diesem hier erkennt man nur an der unterschiedlichen Form der Ortstafeln, dass man von einem Land ins andere kommt:


auf dem Weg von Belgien nach Frankreich
In Luxemburg (oder: Lux, wie die Leute hier sagen) sind vor allem zwei Sachen billiger als in Frankreich: Zigaretten und Benzin; deshalb ist das erste Gebäude in der Ortschaft Rodange gleich hinter der französisch-luxemburgischen Grenze eine Trafik, und danach kommen zwölf Tankstellen nebeneinander:


vier von zwölf Tankstellen
Aufgrund der Lage an der Grenze wurde Longwy im 17. Jahrhundert durch einen sehr berühmten französischen Militärtechniker namens Vauban befestigt, und die Festungsanlagen sind UNESCO-Weltkulturerbe.


ein Teil der Festunsanlagen (französisch: "remparts",
das erste Wort, das ich in Frankreich gelernt habe)
die Porte de France, Eingang in die Altstadt
und Titelbild meines Blogs
Dorota (aus dem Post "Die letzte größere Reise") mag den
Eiffelturm vor ihrem Fenster haben, aber ich kann vom Küchen-
fenster aus auf das UNESCO-Welterbe "Festungsanlagen
von Longwy" schauen. Wer hätte je gedacht, dass ich einmal
in einer soo exklusiven Lage wohnen werde?
Früher war die Region um Longwy eine bedeutende Bergbau- und Industrieregion, und so stehen auch immer wieder auf öffentlichen Plätzen Denkmäler wie hier in Crusnes:


ein Hunt
Und die Kirche in Crusnes ist vielleicht nicht die eindrucksvollste oder die pompöseste (und ich hab schon einiges an Kirchen in Frankreich besichtigt), aber sicher eine der merkwürdigsten, die ich kenne, denn sie ist aus Eisen gebaut; und vor allem klingt sie komisch, wenn man dagegen klopft:


Metallkirche in Crusnes (geweiht der Hl. Barbara,
der Schutzpatronin der Bergleute)
Ein bissl rostet sie schon.
Ihr erinnert euch noch daran, dass Lothringen ein Zentrum des Jugendstils war? In Longlaville gibt es ein Gebäude mit großen Jugendstil-Glasscheiben, die "Vitraux Majorelle", auf denen Szenen aus der Stahlindustrie abgebildet sind:


Die Vitraux Majorelle gehen über vier Stockwerke.

ein Detail
In den letzten dreißig Jahren ist die Industrie in der Region jedoch sehr stark zurückgegangen. In Herserange wurde ein Hochofen, der nicht mehr gebraucht wurde, gesprengt und liegt jetzt dort seit 1991 in der Wiese herum. Rundherum ist ein Golfplatz.


der ehemalige Hochofen Nr. 4 von Herserange;
seltsamerweise sehr idyllisch, wie er da so herumliegt.
Und das mein ich nicht ironisch.
Generell ist die Region durch den Rückgang der Industrie verarmt, und es schaut manchmal ein bisschen heruntergekommen aus, so auch zum Beispiel die Straße direkt vor meiner Schule:


wie eine belgische Autobahn
Ich unterrichte ja nicht nur in Longwy, sondern auch in der Nachbarortschaft Lexy im Collège Émile Gallé, das nach einem sehr wichtigen Jugendstilkünstler benannt ist:


meine Schule in Lexy
Ihr erinnert euch noch an Yvetot, die Stadt in der Normandie, in der es zwei Sehenswürdigkeiten, das Rathaus und die Kirche, gibt? So ähnlich ist es auch in Lexy, aber dort hat man die beiden Gebäude praktischerweise gleich nebeneinander gebaut:


links in klein das Rathaus; und die Kirche erkennt man, glaub ich
Allgemein kann man schon sagen, dass die Gegend rund um Longwy ja nicht gerade eine Touristengegend ist, aber ich war guten Willens und wollte ein paar Sachen besuchen. Aber ich bin ja nur Longovicien auf Zeit, und zwar von Oktober bis März, und leider haben viele Sachen hier nur von April oder Mai bis September geöffnet; zum Beispiel ein kleiner Zug, mit dem man in einer Bergbaumine herumfahren kann; oder das aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammende Fort de Fermont; oder mehrere Museen; oder das Schloss in Cons-la-Granville, das die besten Öffnungszeiten überhaupt hat: vom 14. Juli bis zum letzten Augustwochenende immer am Wochenende am Nachmittag:


Schloss Cons-la-Granville
In Mont-Saint-Martin steht eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert, die noch relativ originalgetreu erhalten geblieben ist:


romanische Kirche Mont-Saint-Martin
Und auch das ist ein wichtiges Gebäude: die Gedenkstätte an der Stelle des ehemaligen Außenlagers des KZ Natzweiler-Struthof in Thil:


Gedenkstätte
Krematorium
Wofür Longwy heute nach wie vor berühmt ist: für die "Émaux de Longwy", also die Schmuckemailproduktion. Und dafür gibt es ein Emailmuseum mit ganz interessanten Exponaten:


Aschenbecher
Vase; diese Emails sind übrigens nicht billig, diese Vase
wird schon ein paar tausend Euro kosten ...
Und dann gibt es noch ein Bügeleisenmuseum mit der größten und wichtigsten Sammlung an Bügeleisen in ganz Europa. Und ernsthaft: Auch wenn man sich das vielleicht nicht so richtig vorstellen kann, aber es war echt sehr interessant!


ein kleiner Teil der Sammlung
Von der Serie in der Mitte, in der das kleinste vorhandene Bügel-
eisen drei Millimeter misst, ist das kleinste leider verschwunden ...
Doch bevor jetzt alle ihre Koffer packen und nur um das Bügeleisenmuseum zu besuchen nach Longwy fahren: Man kann das Museum nur mit Führung besuchen, und diese ist auf Französisch. Also sicherheitshalber vorher noch ein bisschen Französisch lernen und sich mit dem Fachvokabular aus dem Themenbereich Bügeln auseinander setzen!